Kaliumiodid-Tabletten bei schweren Reaktorunfällen
Der Reaktorunfall von Tschernobyl hat zu einem starken Anstieg von strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen in den stark belasteten Gebieten der Ukraine, Weißrusslands und Russlands geführt. Ursache dafür ist radioaktives Iod, das bei schweren Reaktorunfällen in großen Mengen freigesetzt wird. Nach Aufnahme in den Körper wird es in der Schilddrüse gespeichert und führt dort zu einer hohen lokalen Strahlenbelastung.
Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten schützt die Schilddrüse
Das stabile Iod der Kaliumiodid-Tabletten sättigt die Schilddrüse vorübergehend mit Iod (Iod-Blockade). Das eingeatmete radioaktive Iod wird daher von der Schilddrüse nicht mehr aufgenommen, sondern vom Körper rasch wieder ausgeschieden. So können hohe Strahlendosen für die Schilddrüse vermieden und damit das Auftreten von strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs praktisch auf null gesenkt werden. Voraussetzung für die volle Wirksamkeit der Tabletten ist jedoch, dass sie vor Eintreffen der radioaktiven Luftmassen eingenommen werden.
Die rechtzeitige Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten – umgangssprachlich auch als Jodtabletten bezeichnet – bietet einen sehr wirksamen Schutz vor strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs.
Kaliumiodid-Tabletten für Kinder und Jugendliche kostenlos
Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, an strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Das Gesundheitsministerium stellt daher für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren Kaliumiodid-Tabletten kostenlos zur Verfügung. Auch für Schwangere und Stillende sind die Tabletten gratis.
Wirksam nur bei rechtzeitiger Einnahme
Die Wirksamkeit der Kaliumiodid-Tabletten ist am größten, wenn die Einnahme kurz vor Eintreffen der radioaktiven Luftmassen erfolgt. Vor allem eine verspätete Einnahme senkt die Wirksamkeit stark ab. Schon einige Stunden nach Durchzug der radioaktiven Luftmassen ist eine Einnahme praktisch wirkungslos. Bei einem grenznahen Reaktorunfall und ungünstigen Windverhältnissen können die radioaktiven Luftmassen Österreich innerhalb weniger Stunden erreichen. Es ist daher wichtig, dass für solche Fälle die Tabletten rasch verfügbar sind.
Bevorratung ermöglicht die rechtzeitige Einnahme
Das Bundesministerium für Gesundheit beschafft seit Beginn der 1990er Jahre Kaliumiodid-Tabletten für die Bevölkerung. Um eine rechtzeitige Einnahme der Tabletten zu ermöglichen, wurde ein Bevorratungskonzept erstellt, das im Wesentlichen aus zwei Schienen besteht:
- Bevorratung in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, damit bei Durchzug der radioaktiven Luftmassen während der Schulzeit die Tabletten rechtzeitig eingenommen werden können.
- Persönliche Bevorratung zuhause für Personen unter 40 Jahren, damit die Tabletten jederzeit zur Verfügung stehen. Die wichtigsten Zielgruppen (unter 18-Jährige, Schwangere und Stillende) können die Tabletten dafür kostenlos in Apotheken beziehen.
Personen von 18 bis 40 Jahren können Kaliumiodid-Tabletten zu einem geringen Preis in Apotheken erwerben. Personen über 40 Jahre sollten Kaliumiodid-Tabletten nicht mehr einnehmen, da ihr Risiko an strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken sehr gering, das Risiko von schweren Nebenwirkungen durch die Iodzufuhr aber hoch ist.
Einnahme nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Strahlenschutzbehörden
Im Fall eines Reaktorunfalles werden von den Strahlenschutzbehörden sofort die möglichen Auswirkungen auf Österreich abgeschätzt. Insbesondere erfolgt auch eine Abschätzung der für Kinder und Erwachsene erwarteten Schilddrüsendosis. Erst wenn diese Dosen über bestimmten Werten liegen, wird von den Strahlenschutzbehörden die Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten empfohlen.
Kaliumiodid-Tabletten dürfen nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Strahlenschutzbehörden eingenommen werden.
Personen unter 18 Jahren haben ein höheres Risiko an strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken als Erwachsene. Daher sollen unter 18-Jährige die Tabletten bereits bei niedrigeren erwarteten Schilddrüsendosen einnehmen als Erwachsene.
Aller Wahrscheinlichkeit nach besteht selbst bei einem schweren grenznahen Reaktorunfall keine Notwendigkeit, in ganz Österreich Kaliumiodid-Tabletten einzunehmen. Eine Einnahme wird auch in solchen Fällen nur in den am stärksten betroffenen Gebieten erforderlich sein.
Im Fall eines Reaktorunfalls geben die Strahlenschutzbehörden über Radio und TV bekannt, welche Personen Kaliumiodid-Tabletten einnehmen sollen und in welchen Regionen eine Einnahme notwendig ist.
Kaliumiodid-Tabletten bieten keinen umfassenden Schutz vor Strahlung
Kaliumiodid-Tabletten schützen die Schilddrüse sehr wirksam vor der Aufnahme von radioaktivem Iod und damit vor strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs. Sie bieten jedoch keinen Schutz vor der Aufnahme anderer Radionuklide in den Körper oder gegen die externe Strahlung von radioaktiven Stoffen in der Luft und am Boden. Um bei einem Reaktorunfall die Strahlenbelastung auch aus diesen Pfaden möglichst gering zu halten, werden von den Strahlenschutzbehörden andere Maßnahmen empfohlen oder angeordnet (z.B. Aufenthaltsbeschränkungen im Freien, Vermarktungsverbote für kontaminierte Lebensmittel).
Situation in der Ukraine
Sollte es in der Ukraine im Zuge der kriegerischen Handlungen zu einem Kernkraftwerksunfall oder einem Einsatz von Nuklearwaffen kommen, ist wegen der großen Entfernung zur Ukraine in Österreich die Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten nicht erforderlich. Eine Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten könnte nur bei einem schweren grenznahen Kernkraftwerksunfall erforderlich sein.
Weiterführende Informationen sowie Informationen in anderen Sprachen
Nachstehend finden Sie die Gebrauchsinformation zu "Kaliumjodid G.L. 65 mg-Tabletten".
Nachstehend finden Sie Informationen über Kaliumiodid-Tabletten in zwölf verschiedenen Sprachen.
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