Mehr Gesundheit durch eine gestärkte Primärversorgung
Die Primärversorgung ist die erste Anlaufstelle für alle Menschen mit gesundheitsbezogenen Anliegen und damit der Schlüssel zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung. Sie findet heute bereits tagtäglich in den Ordinationen der Hausärztinnen und Hausärzte statt. Die Ärztinnen und Ärzte arbeiten in Einzel- oder Gruppenpraxen, aber auch in sogenannten Primärversorgungseinheiten (kurz PVE) um eine optimale medizinische und pflegerische Versorgung mit hoher Qualität anzubieten. Durch die Stärkung der Primärversorgung soll eine leistungsfähige, nachhaltige und effiziente Gesundheits- und Krankenversorgung in Österreich gewährleistet werden – sie ist daher auch ein wichtiger Fokus der aktuellen Gesundheitsreform.
Ziel der Primärversorgung ist es, die Gesundheit zu fördern und die Prävention zu stärken sowie eine qualitativ hochwertige und effiziente Krankenbehandlung sicherzustellen. Eine gut ausgebaute Primärversorgung sorgt auch für eine verbesserte gesundheitsorientierte Betreuung chronisch kranker Menschen.
Als eine innovative Form der Primärversorgung werden derzeit österreichweit multiprofessionelle und interdisziplinäre PVE etabliert. Dadurch soll auch zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen (z.B. anstehende Pensionierungen von Allgemeinmediziner:innen in den kommenden Jahren oder veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung) bestmöglich begegnet werden.
Aber was versteht man unter Primärversorgungseinheiten? Was sind ihre Vorteile? Und was wird für den Ausbau von PVE in Österreich getan?
Vorteile von Primärversorgungseinheiten für Patientinnen und Patienten
Eine PVE ist ein Zentrum oder ein Netzwerk, in dem multiprofessionelle Teams gemeinsam und aufeinander abgestimmt Patient:innen behandeln. Im Kernteam der PVE arbeiten mindestens zwei Ärztinnen und Ärzte der Allgemeinmedizin mit Angehörigen der Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege zusammen. Das Kernteam wird ergänzt durch Ordinationsassistent:innen, sowie gegebenenfalls eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde. Orts- und bedarfsabhängig können weitere Gesundheits- und Sozialberufe im Sinne eines „erweiterten Teams“ verbindlich und strukturiert hinzugezogen werden. Diese Berufsgruppen können u.a. umfassen: klinische Psychologie, Psychotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Diätologie sowie Sozialarbeit.
Die multidisziplinäre Zusammenarbeit von Allgemeinmedizinern und Allgemeinmedizinerinnen in Kooperation mit anderen Gesundheits- und Sozialberufen ermöglicht eine umfassende Versorgung der Patient:innen. Diese sollen den gesamten Behandlungsweg über begleitet werden. Terminvereinbarungen sollen somit wesentlich erleichtert werden, doppelte Arztwege vermieden und Wartezeiten verkürzt werden. Ein zentraler Faktor der PVE ist weiters die wohnortnahe Betreuung mit flexiblen und längeren Öffnungszeiten.
Für nähere Informationen zur Primärversorgung in Österreich besuchen Sie die Plattform Primärversorgung. Eine interaktive Karte mit allen bestehenden Primärversorgungszentren bzw. –netzwerken in Österreichzu finden Sie auf primaerversorgung.gv.at/Standorte.
Vorteile von PVE für Ärztinnen und Ärzte und Gesundheits- und Sozialberufe
Die Arbeit in einer PVE – sei es in einem Zentrum oder Netzwerk – ermöglicht Allgemeinmediziner:innen, sich mit anderen Gesundheits- und Sozialberufen stärker zu vernetzen sowie in einem Team zusammenzuarbeiten. Dies bietet zahlreiche Vorteile für die einzelnen Teammitglieder: bessere Work-Life Balance, flexiblere Arbeitszeit- und Urlaubsplanung sowie einen regelmäßigen fachlichen Austausch. Zudem entlastet die kooperative Teamarbeit die einzelnen Teammitglieder von Bürokratie und erlaubt eine Konzentration auf die medizinische, therapeutische und pflegerische Tätigkeit.
Im Kernteam einer PVE sind zumindest zwei Allgemeinmediziner:innen (bzw. bei Kinder-PVE Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendheilkunde) vorgesehen, die gemeinsam mit dem diplomierten Pflegepersonal sowie einer Ordinationsassistenz zusammenarbeiten. Durch die Kooperation mit zusätzlichen Gesundheits- und Sozialberufen wie z.B. im Bereich Ergotherapie, Physiotherapie oder Sozialarbeit wird ein erweitertes Leistungsspektrum angeboten.
Weitere relevante Informationen: Primärversorgungseinheiten – Berufsgruppen und Kompetenzprofile
Entwicklungen im Bereich der Primärversorgung
Im Rahmen der Gesundheitsreform 2013 wurde der Startschuss zur Neugestaltung der Primärversorgung in Österreich gelegt. Im Mittelpunkt standen die Fragen, wie die gesundheitliche Versorgung der Zukunft aussehen kann und was vor allem Patientinnen und Patienten brauchen, um optimal betreut zu werden.
Von 2013 bis 2016 wurden im Rahmen eines ersten Bundes-Zielsteuerungsvertrags konkrete Zielsetzungen und Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherstellung und Weiterentwicklung einer niederschwelligen, umfassenden und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung vereinbart. Eine der zentralen Zielsetzungen im Zielsteuerungsvertrag ab 2017 war die Stärkung der ambulanten Versorgung insbesondere auch im Bereich der Primärversorgung.
Im Jahr 2017 wurde durch das Primärversorgungsgesetz (PrimVG) der rechtliche Rahmen sowie die notwendigen rechtlichen Grundlagen für die Planung, Einrichtung und Invertragnahme von PVE geschaffen. Eine zentrale Voraussetzung für die Etablierung von PVE war darüber hinaus der Beschluss der Ärztegesetz-Novelle Ende 2018, mit der die Anstellung von Ärzten und Ärztinnen bei Ärzten und Ärztinnen gesetzlich ermöglicht wurde. Dazu wurde auch eine Einigung zu einer entsprechenden gesamtvertraglichen Vereinbarung zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer beschlossen. Schlussendlich konnte im April 2019 ebenfalls zwischen der Österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger der bundesweite Gesamtvertrag für PVE erfolgreich finalisiert werden, womit nun eine weitere essentielle Voraussetzung für die Invertragnahme von PVE durch die Sozialversicherungsträger vorliegt. In dem Großteil der Bundesländer wurden bereits auf dieser Basis landesspezifische Gesamtverträge abgeschlossen. Auch in den weiterführenden Arbeiten zur Gesundheitsreform in Österreich stellt der Ausbau der PVE ein zentrales Ziel dar.
Um den Ausbau der PVE kontinuierlich zu unterstützen, wurde im Jahr 2023 das PrimVG überarbeitet. Wesentliche Änderungen beinhalten neben einem rascheren und einfacheren Auswahlprozess auch Erleichterungen für das Gründungsteam: es sind für eine Zusammenschließung seither mindestens zwei statt drei Ärzt:innen erforderlich. Dabei können Gesellschafter:innen den Fachbereichen Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendheilkunde, aber auch Gesundheitsberufen angehören. Die sogenannten „Kinder-PVE“ stellen ein eigenes und innovatives Modell dar und sollen zukünftig den Herausforderungen in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen begegnen.
2024 wurden - nach der Finalisierung der abgeschlossenen 15a-Vereinbarungen samt gesetzlicher Umsetzung im Rahmen des Finanzausgleichs – mit dem Zielsteuerungsvertrag 2024 bis 2028 Maßnahmen zur Sicherstellung des öffentlichen solidarischen Gesundheitssystems festgelegt. Die Maßnahmen sollen dabei unterstützten, auf Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte bestmöglich vorbereitet zu sein und die hochqualitative Versorgung auch für die zukünftigen Generationen zu garantieren.
Die Stärkung des niedergelassenen Bereichs ist in der aktuellen Gesundheitsreform eines der wichtigsten Vorhaben. Dafür werden von 2024 bis 2028 jährlich zusätzlich 300 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung gestellt. Neben dem raschen Auf- und Ausbau der Primärversorgung (insbesondere in Form von PVE inkl. Kinder-PVE) und weiteren Aktivitäten zur Stärkung des niedergelassenen und ambulanten Bereichs sind u.a. die Forcierung der gemeinsamen integrativen Versorgungsplanung, der Auf- und Ausbau von vergemeinschafteten Versorgungsformen und Maßnahmen zur Verbesserung der Kinder- und Jugendgesundheit zentrale Schwerpunkte im Zielsteuerungsvertrag für die Jahre 2024 bis 2028. Hervorzuheben ist auch der Ausbau der zentralen Rolle der Primärversorgung durch die Stärkung der Lotsenfunktion und der Koordinierung im Gesundheitssystem.
Zusätzliche Informationen
Details zur aktuellen Gesundheitsreform oder der Zielsteuerung-Gesundheit sind unter den jeweiligen Verlinkungen verfügbar.
Weitere Informationen zur Historie der PVE in Österreich finden Sie: auf gesundheit.gv.at
EU-Projekte für den Ausbau der Primärversorgung in Österreich
Von 2018 bis 2022 wurde seitens des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in Kooperation mit der Europäischen Union (EU) eine Gründungsinitiative für PVE-Gründer:innen ins Leben gerufen. Das Ziel dieser Initiative war es, potenzielle Betreiber:innen von PVE maßgeblich bei der Gründung zu unterstützen und so die Gründung von PVE anzuregen. Um den Gründungsprozess zu erleichtern, wurden Vor-Ort-Beratungen angeboten und ein umfangreiches Handbuch zur Gründung einer PVE erarbeitet.
Ein weiteres EU-Projekt wurde 2021 im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität durch das BMSGPK erfolgreich eingereicht. Mit Mitteln in Höhe von insgesamt 100 Mio. Euro soll bis 2026 ein breites Maßnahmenbündel zur Attraktivierung und Stärkung der Primärversorgung umgesetzt werden. Hierzu wurden unter anderem zwei Förderschienen entwickelt: Zum einen die direkte Förderung von PVE-Neugründungen, zum anderen die Förderung von konkreten Projekten in der bestehenden Primärversorgung in den Bereichen Klima, soziale Inklusion, Digitalisierung und Infrastruktur sowie Fort- und Weiterbildung (multiprofessionelles Team).
Darüber hinaus wurde durch das Projekt mit der „Plattform Primärversorgung“ eine nationale Anlaufstelle für Primärversorgung initiiert. Die Plattform, die von der GÖG betrieben wird, dient als Informations- und Kommunikationsdrehscheibe für die gesamte Primärversorgungscommunity und bietet u.a. Vernetzungsangebote und innovative Maßnahmen im Bereich (Aus-,) Fort- und Weiterbildung sowie Beratungen für PVE-Gründungen.
Seit Jänner 2024 sind von den Förderungen für die bestehende Primärversorgung auch Vertragsgruppenpraxen und Vertragsambulatorien umfasst. Diese können in den Bereichen Allgemeinmedizin und/oder Kinder und Jugendheilkunde tätig sein und müssen gewisse Voraussetzungen in Hinblick auf ein erweitertes Versorgungsangebot erfüllen. Weitere Informationen hierzu finden sich auf der Plattform Primärversorgung.
Untenstehend finden Sie die Förderrichtlinien „Gründungsförderung PVE“ (Typ A), „Projektförderung PVE“ (Typ B.1) sowie „Projektförderung - Erweitertes Primärversorgungsangebot“ (Typ B.2) zum Download.
Bei allgemeinen Fragen und für weitere Informationen zum Projekt sowie den Förderungen besuchen Sie bitte die Website primaerversorgung.gv.at oder wenden Sie sich an das Team der Koordination Primärversorgung an der Gesundheit Österreich GmbH unter primaerversorgung@goeg.at.
Aktualisierte Richtlinien RRF-Projekt Attraktivierung der Primärversorgung in Österreich (Stand: 2. Jänner 2024)
Gründungsförderung PVE (Typ A) (PDF, 342 KB)
Projektförderung PVE (Typ B.1) (PDF, 331 KB)
Projektförderung - Erweitertes Primärversorgungsangebot (Typ B.2) (PDF, 327 KB)
Zusätzliche Information
www.gesundheit.gv.at/gesundheitsleistungen/mehrgesundheit/gesundheitspolitik